BGH stärkt Rechte von Berufsunfähigkeits-Versicherten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem aktuellen Urteil die Rechte von Verbrauchern in der Berufsunfähigkeitsversicherung gestärkt. Demnach muss ein Versicherer die gesamte Arbeit berücksichtigen, wenn er den Grad der Berufsunfähigkeit festlegt, und darf nicht nur die zeitlichen Anteile einzelner Arbeiten einrechnen. Das Urteil könnte es Versicherten zukünftig erleichtern, schneller eine BU-Prämie zu erhalten.

 

Ungefähr jeder vierte Beschäftigte in Deutschland muss seinen Beruf aufgeben, bevor er das Rentenalter erreicht. Das ist ein Grund, weshalb sowohl Versicherer als auch Verbraucherschützer in seltener Eintracht den Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) empfehlen. Ein aktuelles Urteil stärkt nun die Rechte der Kunden, wenn es um die Ermittlung der Berufsunfähigkeit geht.

 

Berufsunfähigkeit zu niedrig eingestuft

Im konkreten Rechtsstreit ging es um den Fall einer Haushälterin. Nach einem Treppensturz musste sie ihre Arbeit vorerst aufgeben, weil sie sowohl Rücken- und Wirbelsäulenbeschwerden plagten und sie zudem an einer psychischen Erkrankung infolge des Sturzes litt.

Doch der Berufsunfähigkeitsversicherer der Haushälterin wollte keine Rente zahlen. Er argumentierte, dass laut Vertrag erst eine BU-Rente vorgesehen sei, wenn eine 50prozentige Berufsunfähigkeit vorliege. Dies sei hier nicht gegeben, da die Frau nur zu zwanzig Prozent beeinträchtigt sei, wie die Gutachter des Versicherers bestätigten.

 

Streit um Grad der Beeinträchtigung

Zu den Aufgaben der Frau gehörte es vor allem, die Räume einer Anwaltskanzlei zu säubern, einzukaufen und aus den gekauften Zutaten ein Mittagessen für bis zu 30 Personen zuzubereiten. Die Einkäufe konnte sie nun nicht mehr erledigen: Sie durfte nicht mehr schwer tragen. Der Versicherer erkannte zwar an, dass die Frau ihre Arbeit nicht mehr wie gewohnt ausführen könne. Er begründete die niedrige Einstufung der Berufsunfähigkeit allerdings damit, dass das Einkaufen nur einen geringen zeitlichen Teil der Arbeitszeit in Anspruch nehme. Daraufhin klagte die Frau vor Gericht.

Der Bundesgerichtshof bewertete die Sachlage deutlich anders als der Versicherer: Und stärkte die Rechte der Verbraucher. So dürfe die Beeinträchtigung im Beruf nicht nur an einzelnen Tätigkeiten wie dem Einkaufen gemessen werden und an der Frage, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen. Vielmehr komme es auf eine Gesamtschau an: Das gelte besonders dann, wenn die betroffene Tätigkeit ein untrennbarer Teil eines beruflichen Gesamtvorgangs sei. In diesem Fall sei es der Hauswirtschafterin ohne das Tragen schwerer Einkäufe nicht möglich, ihren Beruf weiterhin auszuführen, weil sie damit auch für die Mitarbeiter ihres Arbeitgebers nicht mehr kochen könne. Schließlich fehlten dann die Zutaten.

Das Oberlandesgericht Stuttgart muss nun nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofes den Grad der Berufsunfähigkeit neu festlegen. Das bedeutet vor allem: Ihn höher ansetzen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Haushälterin nun ihre BU-Rente erhält (Az.: IV ZR 535/15).

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